Du hast den gewohnten Schulalltag in Deutschland satt? So geht es vielen Schüler:innen, die sich für ein Auslandsjahr entscheiden. Damit ist ein Schüleraustausch oder ein „High-School-Year“ gemeint, bei dem man für ein halbes oder ein ganzes Jahr bei einer Gastfamilie im Ausland lebt. Wir haben eine Schülerin des Gymnasiums Konz interviewt, die momentan ein Auslandsjahr in Calgary in Kanada macht und sie nach ihrer Meinung dazu gefragt!
Sarah und Julia: Hallo! Du bist jetzt schon seit fünf Monaten in Kanada. Wie gefällt es dir denn generell?
Schülerin: Hi! Mir gefällt es hier bisher sehr gut. Ich habe schon viele nette Leute kennengelernt und die Kultur finde ich auch sehr interessant!
Sarah und Julia: Wie war denn die Anreise? Hattest du Probleme mit der Zeitverschiebung?
Schülerin: Es war schon langwierig, neuneinhalb Stunden zu fliegen, vor allem, weil dies der erste Flug in meinem Leben war. Ich konnte im Flugzeug auch nicht schlafen, weshalb das Ganze dadurch nochmal anstrengender wurde. Zu Kanada gibt es ja eine Zeitverschiebung von acht Stunden. Daher dachte ich, dass ich damit mehr Probleme bekomme, aber zum Glück bin ich in der ersten Woche nur um 5 Uhr morgens aufgewacht, was allerdings nicht besonders schlimm war.
Sarah und Julia: Du lebst ja jetzt mit einer Gastmutter und einer Gastschwester zusammen. Verstehst du dich gut mit ihnen?
Schülerin: Mit meiner Gastschwester verstehe ich mich sehr gut, da wir im gleichen Alter sind und ähnliche Interessen haben. Meine Gastmutter finde ich im Großen und Ganzen auch nett, allerdings sind wir oft nicht der gleichen Meinung, weshalb wir schon kleine Streitigkeiten hatten.
Sarah und Julia: Wie läuft der Schulalltag in Kanada ab?
Schülerin: Ich habe von 08:55 Uhr bis 15:30 Uhr Schule. Der Unterricht läuft eigentlich ähnlich ab wie in Deutschland, aber es gibt eine vielfältigere Auswahl an Fächern. Pro Semester habe ich auch nur vier Fächer (dieses Semester habe ich Musical Theater, Construction (Schreinern), Chemie und Marketing/Management) ,diese dafür aber jeden Tag. Die Fächer gefallen mir auch alle gut. Trotzdem ist Schreinern mein Lieblingsfach und Marketing zeitweise etwas langweilig. Außerdem kann man beispielsweise Tanzen, Theater, Multi-Media, Cosmetology (Frisuren) aber auch typische Fächer wie Englisch oder Mathe wählen. Da wir über Mittag in der Schule sind, haben wir die Möglichkeit, uns selbst unser Mittagessen mitzubringen oder in der Cafeteria Snacks oder Salate zu kaufen und zusammen im Atrium zu essen.
Sarah und Julia: Das heißt man kann seinen Abschluss auch nur mit kreativen Fächern wie Schreinern machen?
Schülerin: Nein, wenn man hier wirklich den Highschool-Abschluss macht, muss man bestimmte Kurse wie Mathe oder Englisch auf 12er-Niveau, also mehrere Semester belegt haben. Allerdings ist das Schulsystem hier etwas anders als in Deutschland, denn es gibt zum Beispiel sehr oft „Multiple-Choice-Tests“, bei denen die Schüler:innen zwischen mehreren Antwortmöglichkeiten die richtige Antwort wählen müssen. Außerdem gibt es auch sogenannte „Open-Book-Tests“. Hier darf man seine Notizen, sogar die, die auf dem Tablet geschrieben wurden, im Test benutzen.
Sarah und Julia: Wie kommst du mit der Sprache zurecht?
Schülerin: Große Schwierigkeiten hatte ich nie wirklich, aber mir ist aufgefallen, dass ich am Anfang immer in meinem Kopf übersetzt habe, was ich sagen möchte. Jetzt spreche ich einfach drauflos und denke nicht mehr so viel darüber nach!
Sarah und Julia: Wie gestaltest du deine Zeit nach der Schule? Hast du viel Freizeit?
Schülerin: Da wir oft ein verlängertes Wochenende haben, unternehme ich sehr viel mit meinen Freunden bzw. anderen deutschen Austauschschüler:innen. Es ist praktisch, dass ich in einer Großstadt lebe, weil es dort viele Freizeitangebote gibt, z.B. in die Mall oder einen Karaoke-Club gehen, aber auch Bowling oder Eishockey-Spiele schauen.
Sarah und Julia: Wie sieht es denn mit dem Wetter aus? In Kanada soll es ja ziemlich kalt sein!
Schülerin: Das stimmt! Als es zum ersten Mal -20°C waren, habe ich schon sehr gefroren, aber mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt. Da es so gut wie nie regnet (ich bin seit 5 Monaten hier und es hat bisher nur einmal geregnet, dafür aber schon mehrmals geschneit ) und nur wenig Wind weht, ist die Kälte aber auszuhalten. Allerdings bleibt der Schnee hier (anders als in Deutschland) immer sehr lange liegen, wodurch in den fünf Monaten, in denen ich schon hier bin, eigentlich durchgehend Schnee lag.
Sarah und Julia: Gibt es außer dem Wetter und der Schule noch Unterschiede zu Deutschland?
Schülerin: Ja! Mir ist sofort aufgefallen, dass es hier normal ist, zum Beispiel den Kunden in Restaurants Trinkgeld auf ihre Rechnung zu addieren. Ab sechs Personen wird dabei zum Beispiel (in den meisten Restaurants) 18 % Trinkgeld auf den Betrag berechnet. Außerdem kommt es mir so vor, als ob die Menschen generell im normalen Alltagsleben mehr Dankbarkeit zeigen als in Deutschland. Was ich daran besonders schön finde, ist, dass sich viele nach der Fahrt beim Busfahrer bedanken. Eher negativ ist mir aufgefallen, dass diese Freundlichkeit auch häufig aufgesetzt ist, besonders bei Verkäufer:innen, bei denen man merkt, dass diese das nur wegen ihrer Marketing-Strategie tun. Was das Essen und die Lebensmittel angeht: Tierische Produkte, wie zum Beispiel Milch oder Käse sind in Kanada viel teurer als in Deutschland (1 Liter Milch kostet in Kanada umgerechnet etwa 1,80€, in Deutschland meistens nur 0,75€), andere Produkte wie Gemüse sind dagegen teilweise sogar günstiger oder zum gleichen Preis wie in Deutschland erhältlich. Außerdem muss man hier auch Steuern auf die Preise draufzahlen, das heißt, die Steuern sind (anders als in Deutschland) nicht schon im Preis enthalten. Generell schmeckt das Essen hier aber (laut mir und anderen Austauschschüler:innen) einfach nicht so gut. Als Deutsche muss ich natürlich auch sagen, dass das Brot in Deutschland viel besser und vielfältiger als in Calgary ist 😉
Sarah und Julia: Würdest du anderen Schüler:innen so ein Austauschjahr empfehlen?
Schülerin: Grundsätzlich würde ich ein Auslandsjahr jedem empfehlen, der die Möglichkeit und das Selbstvertrauen dazu hat. Natürlich sollte man sich bewusst sein, dass man sich währenddessen ein komplett anderes Leben aufbaut, weshalb der Kontakt zu Freunden und Familie in Deutschland in der Zeit des Auslandsaufenthalts schwieriger zu halten ist. Daher ist es wichtig, sich im vorhinein sehr gut mit dem Thema auseinanderzusetzen und sich vor allem auch zu informieren, welches Land und welche Zeitspanne am besten zu einem passt.
Sarah und Julia: Ist Kanada denn ein Land, das für ein Auslandsjahr gut geeignet ist?
Schülerin: Für mich war Kanada eine sehr gute Wahl, da ich auf jeden Fall in ein englischsprachiges Land wollte. Es ist sozusagen ein Kompromiss für diejenigen, die in ein Land wollen, das Ähnlichkeiten mit den USA hat. Denn Kanada besitzt eigentlich viele Gemeinsamkeiten mit den Vereinigten Staaten, ist aber auch von europäischen Einflüssen geprägt. Aufgrund dessen wäre Kanada aber vielleicht nicht die beste Wahl für diejenigen, die eine ganz neue Kultur entdecken wollen. Das Essen bzw. die Restaurants sind sehr ähnlich zu den USA, weil dies vor allem riesige Restaurantketten sind und das Essen generell auch sehr ungesund ist. Trotzdem gibt es auch Ähnlichkeiten zu Europa, weil hier erstens sehr viele Europäer:innen leben, weshalb die Kultur sehr vielfältig ist. Zweitens habe ich das Gefühl, dass die Menschen in Kanada ziemlich offen zum Beispiel in Bezug auf LGBTQ sind, vielleicht sogar noch offener als viele Europäer:innen.
Sarah und Julia: Vielen Dank für das Interview und die tollen Fotos! Wir freuen uns, wenn du im Sommer wieder zurück kommst 🙂